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Erschienen in der Huffington Post: Behalten wir im Automobilbau den Anschluß?

Autos werden künftig anders gedacht. Statt einem auf Hardware fokussierten Produkt, in Form von Motor, Getriebe und Autochassis, stellen die neuen Pioniere des Automobilbaus nun rollende Computer her. So ist es ihnen möglich zukünftige Entwicklungen viel besser zu antizipieren und sich auf veränderte Kundenwünsche einzustellen. Das führt zu einer laufenden Weiterentwicklung von bereits verkauften Autos. Tesla ist wohl einer der Innovativsten unter den Herstellern: Auch wenn das autonome Fahren noch nicht erlaubt und hinreichend ausgereift ist, steht die Hardware zur Verfügung und kann miterworben werden.

Im etablierten PKW Verkauf ist das anders. Ein Auto wird mit den wesentlichen Funktionen verkauft und Updates sind kaum möglich. Im Gegensatz zum Vorbild Tesla, entwickeln sich herkömmliche Autos nach der Montage kaum noch weiter. Auch die Bewertung von Autos wird sich damit in Zukunft ändern. Aktuell werden PKWs weit weniger als 5% der Lebensdauer genutzt. Das ist natürlich nicht effizient und die geteilte Nutzung von Autos daher in Zukunft mehr als wahrscheinlich. Car2Go und DriveNow sind nur der Anfang. Das haben inzwischen auch zahlreiche PKW Hersteller verstanden und man betrachtet sich deshalb nicht mehr als Hersteller, sondern Mobilitätsanbieter. Da sich viele Menschen durch unterschiedliche Nutzungskonzepte die Nutzung von Autos teilen werden, werden künftig weit weniger Autos benötigt. Die Auslastung pro Auto wird daher steigen. Durch die Einführung des autonomen Fahrens wird kein Führschein mehr benötigt. Kinder können so z.B. mit dem Auto ohne Fahrer aus der Schule abgeholt werden.

Obwohl die Anzahl der PKWs sinkt, wird der Verkehr bei der geteilten Nutzung von PKWs jedoch steigen, denn durch zusätzliche Leerfahren zwischen den Nutzern müssen insgesamt mehr Kilometer zurückgelegt werden. Das bedeutet, dass die PKWs künftig eine sehr viel größere Zahl von Kilometern zurücklegen und schneller wieder aus dem Verkehr gezogen werden. Es sind dadurch irgendwann Lebenszyklen zu erwarten, die denen eines Smartphones nahekommen werden. Durch intelligente Konzepte wie das Pooling (die moderne Form des Sammeltaxis) wird man es schaffen, das absolute Verkehrsaufkommen und auch die Kosten für die Fahrten nochmal deutlich zu reduzieren. VW arbeitet mit seinem Tochterunternehmen Moia intensiv an einem Pooling Angebot, das wahrscheinlich schon in 2018 in Hamburg Premiere feiert. Zunächst sind die Autos natürlich noch mit einem Fahrer ausgestattet. Das wird sich dann aber perspektivisch noch ändern.

Was wird diese Veränderung in Deutschland auslösen?

Den führenden Hersteller ist durch zahlreiche Studien zur Disruption inzwischen klar, dass sie ganz schnell den Hebel umlegen und radikale Veränderungen einleiten müssen. Vorträge des Daimler CIO haben inzwischen den Titel „Daten sind das neue Öl“. In den Vorträgen wird deutlich, dass die IT künftig als „Enabler“ gesehen wird und nicht nur zur Unterstützung. Man kauft also ein Auto, insbesondere da es z.B. über die IT für autonomes Fahren verfügt. Mit einer normalen evolutionären Weiterentwicklung wird eine solche radikale Veränderung nicht möglich sein. Denn in der Regel schaffen es die Platzhirsche nicht eine Disruption zu überleben. Die Entwicklung von Nokia durch die Etablierung von Smartphones zeigt das eindrucksvoll. Die Folgen könnten verehrend sein. Ca. 30 % des deutschen BIP hängen am Automobilabsatz. Noch gibt es nur Pioniere wie Tesla, die vormachen wie man ein Auto noch denken kann, aber mit den vergleichsweise geringen Stückzahlen noch keine ernsthafte Konkurrenz.

China ist bereits heute der größte Player im Bereich der Elektromobilität. Durch den klaren politischen Willen und erhebliche Subventionen werden in der Volksrepublik inzwischen die meisten Elektroautos weltweit zugelassen. Chinesischen Autos haben heute noch nicht im Ansatz die Qualität eines deutschen Autos. Da sich aber die technischen Anforderungen stark verschieben und die besondere deutsche Ingenieurskunst künftig eine untergeordnete Rolle spielen wird, könnte diese Lücke schnell geschlossen sein. Zudem kaufen sich die chinesischen Hersteller das Know-How auch zunehmend ein, wie man an dem Kauf von Volvo durch Geely sieht. Die Sportwagen der neuen Geely Tochter Polestar werden in China produziert und verfügen allesamt über einen Elektroantrieb.

Apple und Google forschen intensiv am autonomen Fahren. Irgendwann holen die IT Unternehmen dann das entworfene Fahrzeug aus der Tasche und suchen sich einen Erfüllungsgehilfen, der die vergleichsweise triviale Hardware baut (wie Foxconn für Apple) und der damit von der künftigen Wertschöpfung komplett abgeschnitten ist. Sofern die deutsche Automobilindustrie die Versäumnisse dann noch nicht nachgeholt hat, könnte es eng werden und die deutschen Automobilhersteller und damit auch Deutschland den Anschluss komplett verpassen.

Selbst der Ex-Spitzenfunktionär bei GM, BMW, Chrysler und Ford Bob Lutz äußerte sich jüngst in einem Gastbeitrag im US-amerikanischen Fachmagazin Automotive News: „Der Autohandel wird die nächsten 10, vielleicht 15 Jahre funktionieren, wenn die Hersteller autonome Fahrzeuge unter ihrer Marke herstellen, und die dann noch auf der Straße sind. (…) Die Ära des von Menschen gelenkten Autos, seiner Reparaturwerkstätten, seiner Händler, der Medien, die es umgibt, wird in 20 Jahren vorbei sein.“ Mobilität wird seiner Auffassung nach zunächst durch Flotten mit standardisierten Modellen von Firmen wie Uber, Lyft oder anderen künftigen Transportunternehmen betrieben werden. Autohändler, so seine steile These, werden weiterhin als ein Randgeschäft für Kunden existieren, die personalisierte Module wollen oder Reproduktionen von Ferraris oder Formel-3-Autos kaufen.

Kann dem disruptiven Wandel in Deutschland noch begegnet werden?

Ja, aber eine solche Veränderung benötigt einen langen Atem beim mutigen Durchgreifen. Die Strukturen bei den deutschen Herstellern sind hierarchisch und verwachsen. Es stehen sehr viele Arbeitsplätze in ihrer heutigen Form zur Disposition und man wird nicht alle Arbeitnehmer auf die neuen benötigten Aufgaben umschulen können. Starke Betriebsräte werden wohl die schützende Hand über die Mitarbeiter legen und einen Wandel schwierig machen. Bei Siemens sieht man aktuell wie schwierig eine Umstrukturierung aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen im Kraftwerkssparte ist. Anteilseigner werden auch weiterhin auf die Quartalszahlen schauen und eher kurzfristig als langfristig orientiert sein. Es bleibt zu hoffen, dass sich alle Beteiligten der historischen Verantwortung bewusst sind, aber man darf skeptisch sein.

Derzeit wird mit Methoden gearbeitet, die für lange Lebenszyklen und nur wenig Veränderung erschaffen wurden. Inzwischen sind Methoden wie Scrum und Kanban zwar in aller Munde. Konsequent und durchgängig eingesetzt werden diese Methoden aber nur wenig, denn die aktuell verwendeten Strukturen und Arbeitsweisen stehen den Philosophien der agilen Methoden teilweise diametral gegenüber. Die Bereitschaft des Managements sich selbst zu verändern und wirklich eine neue Führungskultur zu schaffen, die tiefgreifende Veränderungen ermöglicht, wird wahrscheinlich darüber entscheiden, ob der Wandel gelingt.